gekürzt
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Was bleibt ist ein meist kleines Bild.
Man könnte die Bilder auch als Schautafeln verstehen, sie zeigen ausgeschnittene, nichtverbale, farbige messages und sind eine Einladung an die mündigen BetrachterInnen mit ihnen zu spielen. Spielen wird meist verwechselt mit zweckfreiem Tun, anzusiedeln in der Zeit wo Lebewesen noch nicht sozialisiert sind, dies ist aber ein gelinder Irrtum: Spieltheorie ist eine Wissenschaft, die nicht kooperative Spieltheorie ein Teil derselben, wobei nicht kooperativ meint, dass sich die Spieler auf verschiedenen Informationsebenen befinden. Nun: in der Kunst von Rahel Knöll geht es nicht um Sieger und Verlierer, sie würde diese Polarisierung keinesfalls gutheissen, nein es geht nicht einmal um Spielen im landläufigen Sinne, wo es dazu mehrere Mitspieler braucht. Es ist noch komplexer: ihre Kunst, ihre Malerei, ihre Bilder liefern quasi das Regelwerk und dies hat sie ja schon gesetzt. Der Spieler, die Spielerin, die Betrachter können sich nun soweit sie mögen einlassen auf die spannende Frage, was ist das denn für ein Spiel und noch wichtiger, was habe ich davon wenn ich mich darauf einlasse und vielleicht noch, wieviel will ich investieren um daraus einen geistigen Mehrwert zu erzeugen. (Eine wichtige Technik beim Finden von Gleichgewichten in der Spieltheorie ist das Betrachten von Fixpunkten). Ein anderes Phänomen zum Gleichgewicht ist dass je mehr Information auf Seiten des Betrachters vorhanden ist, desto mehr Nutzen und Spass zieht derselbe aus der Auseinandersetzung mit.
Wenn Sie sich ein Fahrrad kaufen oder einen Fernseher sind die Gebrauchsmöglichkeiten mehr oder weniger scharf umrissen, das Fahrrad bringt sie schneller als zu Fusse von a nach b, in den Fernseher können Sie reingucken z.B., bei Kunst, bei der Malerei, bei den Arbeiten von Rahel Knöll liegt das nicht so einfach: denn sie sagt ihnen nicht was sie mit dem Teil anfangen sollen, ob sie es als Meditationstafel oder als Spiegel oder als Schaltordnung benutzen sollen, das liegt ganz bei Ihnen, denn die Künstlerin verweigert da jegliche Auskunft, auch das eine Haltung, welche vom Vertrauen in die geschaffene Ordnung rührt, welche quasi eine selffullfilling prophecy sein soll. Leicht wird diese Haltung mit Arroganz verwechselt, ein Irrtum, denn ganz im Gegenteil kommt sie aus einer- durchaus selbstbewussten- Bescheidenheit: Rahel Knöll ist sich bewusst, was alles im Namen einer umfassenden Kunsttheorie auch schon passiert ist und was dabei auch alles nicht ganz funktioniert hat, der Begriff des Gesamtkunstwerkes z.B. mit seinem endgültigen Scheitern im 2. Weltkrieg; die Formatfrage seit den fünfziger Jahren, die grossen Amerikaner gegen die kleinen Europäer, oder das Ringen um das grösste Bild in einer Nacht gemalt von Martin Disler, die Superlative, die Rekorde, die titanischen Leistungen rauschhaften, genialischen Tuns. All das interessiert sie nicht, sie selbst würde ganz gerne ausprobieren, wie es denn wäre, eine kleine Arbeit von ihr z.B. neben oder gegenüber des toten Christus von Holbein zu setzen, was pasiert da, was geht da ab? Oder ein anderes kleines Bild an die Stirnwand des Oberlichtsaals in der Kunsthalle hängen und sonst nichts, das wäre zugegebenerweise eine Zerreissprobe, aber spannend.
Das sind die echten Herausforderungen.
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Matthias Aeberli, Dezember 2011